Oberliga
Mittwoch, 01.05.2024 10:32 Uhr | Ingo Poppen

„Das ist völlig verrückt - ich bin überglücklich“

Kickers-Mittelfeldmann Janek Siderkiewicz kam aus der Landesliga und feierte nun als Stammkraft die Oberliga-Meisterschaft und den Aufstieg

Dass es ihm so schnell an die Haare gehen würde, hatte Janek Siderkiewicz nicht erwartet. „Ich dachte, dass es erst auf Mallorca so weit ist“, sagt der Mittelfeldspieler von Kickers Emden. Doch so lange wollte „Friseur“ Tobias Steffen nicht warten. Mitten auf dem Rasen im Egestorfer Stadion an der Ammerke zückte er den von Kai Kaissis geliehenen Haarschneider - und verpasste Siderkiewicz unter Beobachtung seiner feiernden Teamkollegen eine Glatze. „Ich habe es einfach über mich ergehen lassen“, erklärt der 27-Jährige. Wettschulden sind schließlich Ehrenschulden.

Der Satz, der Siderkiewicz zum Verhängnis wurde, fiel schon früh in der Saison in der Kickers-Kabine. „Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon drei Spiele verloren.“ Da rutschte ihm nach einer Trainingseinheit ein „Wenn wir jetzt noch Meister werden, lasse ich mir eine Glatze schneiden“ heraus. Was Siderkiewicz mit einem Augenzwinkern als „beiläufig dahingesagt“ bezeichnet, nahmen die „Ohrenzeugen“ Tobias Steffen und Pascal Steinwender dankend an - und erinnerten den Mittelfeldmann während der Emder Siegesserie in den vergangenen Wochen regelmäßig an die Wette.

Kurz nach dem Abpfiff in Egestorf war der Jubel groß - und die Haare bei Siderkiewicz noch dran.

Mit Blick auf das, was ihm mit Kickers gelungen ist, kann der Idafehner den Verlust seiner Haarpracht aber durchaus verkraften: Siderkiewicz erlebte eine Saison mit vielen Höhen und wenigen Tiefen, die am Sonntag fast märchenhaft gekrönt wurde. Rückblick: Am 26. April 2023 verlor er als Kapitän von Hansa Friesoythe ein Landesliga-Nachholspiel bei Grün-Weiß Firrel mit 2:3. Fast genau ein Jahr danach, am 28. April 2024, machte eben jener Siderkiewicz mit Kickers Emden die Oberliga-Meisterschaft und den Regionalliga-Aufstieg perfekt. „Das ist völlig verrückt - ich bin überglücklich“, sagt der 27-Jährige. „Hätte jemand damals zu mir gesagt, dass alles so kommen wird, hätte ich ihm sicherlich einen Vogel gezeigt.“

Die Entwicklung, die Siderkiewicz seit seinem Wechsel nach Emden vollzogen hat, ist beispielhaft für den neuen Weg, der bei Kickers im vergangenen Sommer eingeschlagen wurde. Für den Neuzugang aus der Landesliga begann die Saison zumeist als Joker auf der Ersatzbank. Doch der 27-Jährige kämpfte sich Stück für Stück heran, wurde beim BSV quasi vom offensiven Mittelfeldspieler zum zweikampfstarken Sechser umgeschult - und erarbeitete sich schließlich einen Stammplatz. Auch eine Schultereckgelenksprengung, die sich Siderkiewicz in der Wintervorbereitung zugezogen hatte, warf ihn nicht aus der Bahn. Und so stand Emdens Nummer 17 auch beim entscheidenden Spiel in Egestorf wieder von der ersten bis zur letzten Sekunde auf dem Rasen. 

Dabei stellten vor allem die letzten Momente der Partie eine besondere Herausforderung dar, wie Siderkiewicz verrät: „Als die Nachspielzeit angebrochen ist und wir unserem großen Ziel immer näher kamen, musste ich mich schon zusammenreißen und die eine oder andere Träne verdrücken“, sagt er. Das 4:3-Schlamm-Spektakel gegen Bersenbrück, der 4:1-Sieg an Nikolaus gegen Arminia Hannover, durch den die Emder die Tabellenführung übernahmen oder die beiden kurzfristigen Absagen gegen Ramlingen/Ehlershausen und an Ostermontag beim Rotenburger SV. „All das schoss mir wie im Schnelldurchlauf durch den Kopf“, so Siderkiewicz. „Es war wirklich eine sehr emotionale Saison.“

Den bisherigen Höhepunkt seiner fußballerischen Laufbahn erlebten auch Mama Hester und Cousin Jan live im Stadion mit. „Das war der Wahnsinn. Diesen Tag werde ich in meinem Leben nicht mehr vergessen“, so der Mittelfeldspieler. „Bisher habe ich noch nicht wirklich realisiert, was für eine brutale Saison uns da gelungen ist. Das passiert wahrscheinlich erst in der fußballfreien Zeit nach dem letzten Spiel.“

Bis dahin sind es noch 20 Tage - und insgesamt sechs Chancen auf weitere Siege. Der nächste soll am Mittwochabend gelingen, wenn der neue Oberliga-Meister Blau-Weiß Bornreihe im Ostfriesland-Stadion empfängt (17 Uhr). „Die erste Partie als Meister in unserem Wohnzimmer wird für uns alle ein Highlight“, meint Siderkiewicz. „Ich freue mich besonders darauf, den Titel mit der Familie, Freunden und unseren tollen Fans zu feiern.“

Die Spielzeit jetzt „austrudeln“ zu lassen, ist für die Emder keine Option. „Ein spezielles Ziel haben wir noch vor uns“; sagt Siderkiewicz. „Markus Unger hat oft davon erzählt, dass er zu seiner aktiven Zeit einmal 17 Siege in Serie feiern konnte - das möchten wir natürlich überbieten.“ Doch für den Mittelfeldmann geht es um mehr als reine Zahlen. „Mit jedem weiteren Erfolg wollen wir auch ein Statement setzen“, sagt er. „Unsere künftigen Konkurrenten in der Regionalliga sollen wissen, dass wir in der nächsten Saison keine Laufkundschaft sind, sondern ein ernstzunehmender Aufsteiger.“

An Selbstvertrauen mangelt es dem 27-Jährigen nicht - das zeigt auch der Mut zur Meister-Glatze. „Ich bin schon gefragt worden, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.“ Hat er. Und konkrete Pläne, was die verloren gegangene Haarpracht angeht. „Eigentlich finde ich es gar nicht so schlecht“, sagt Siderkiewicz und schmunzelt. „Es wird wohl auch künftig bei einer Kurzhaarfrisur bleiben.“ Eines steht aber schon jetzt fest: Sein nächster Friseur wird garantiert nicht Tobias Steffen heißen.

Kickers Emden

1. Mannschaft

5:1 (2:1)

BW Bornreihe

1. Mannschaft

89'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
62'
Tor
Tor
61'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
58'
Gelbe Karte
Gelbe Karte
51'
Tor
Tor
47'
Tor
Tor
42'
Tor
Tor
40'
Tor
Tor
20'
Tor
Tor
Aufstellung
BSV: Onken, Stöhr, Herbst, Kaissis, Schiller, Steffen, Sobotta, NDiaye, Steffens, Dassel, Jabbie
BWB: Lohmann, van Knoll, Owusu, Marafona da Costa, Lütjen, da Rocha Nunes, Becker, Menger, Linne, Taha, Hirsch